Fragen und Antworten
Weitere Informationen zu Psychose
Die „eine Psychose“ gibt es nicht
Jede psychotische Störung besitzt einen individuellen Auslöser, und auch ihr jeweiliger Verlauf gestaltet sich unterschiedlich. Allerdings gibt es einige typische Anzeichen (oder Symptome), die bei erkrankten Menschen besonders häufig beobachtet werden:
- Wahnvorstellungen und Ich-Störungen: Die Betroffenen fühlen sich verfolgt, beobachtet und im übertriebenen Maße benachteiligt. Sie nehmen ihre Umwelt nicht mehr als real wahr oder entfremden sich von sich selbst, sodass sie nicht mehr die Person zu sein scheinen, die sie eigentlich sind. Manifestiert sich bei ihnen das Gefühl, dass selbst ihre eigenen Gedanken von anderen Menschen wahrgenommen oder beeinflusst werden können, spricht man von einer „Ich-Störung“.
- Halluzinationen und andere Wahrnehmungsstörungen: Die Betroffenen hören häufig Stimmen oder seltsame Geräusche, ohne dass es dafür eine äußere Quelle gibt, und sehen z. B. Gesichter anderer Menschen verzerrt. Als Halluzination (lat. alucinatio „Träumerei“) werden „wirkliche“ Wahrnehmungen bezeichnet, ohne dass eine nachweisbare externe Reizgrundlage vorliegt. Solche Wahrnehmungen können in jedem Sinnesgebiet auftreten.
- Denkstörungen: Dabei handelt es sich um zahlreiche unterschiedliche Auffälligkeiten bei formalen und inhaltlichen Denkabläufen. Formale Denkstörungen äußern sich zum Beispiel in einer veränderten Geschwindigkeit des Denkens, durch Gedankenarmut oder „nicht zu Ende gedachte Gedanken“ (Gedankenabbrüche), aber auch durch beschleunigtes Denken. Auf Außenstehende wirkt das zumeist wie Unkonzentriertheit oder Verwirrtheit. Inhaltliche Denkstörungen zeichnen sich durch Wahnvorstellungen und Wahnwahrnehmung aus.
Dimensionen der Symptome psychotischer Störungen
Wesentlich – und bei Schizophrenien besonders prägnant – sind einerseits die beiden Symptomdimensionen „Positiv- oder Plussymptome“ wie Wahn, Halluzinationen und andere Wahrnehmungsstörungen; Symptome also, die über das übliche Denken und Wahrnehmen hinausgehen.
Als „Negativ- oder Minussymptome“ werden Symptome mit einer Reduktion (oder einem Defizit) gegenüber normalpsychologischen Abläufen bezeichnet: Dazu gehören Rückzugsverhalten, soziale Unsicherheit, emotionale Abflachung, Motivationsverlust, kognitive Einschränkungen, Adynamie (Kraftlosigkeit, grundlegende Erschöpfung), Anhedonie (Unfähigkeit, Freude und Lust zu empfinden) und weitere Symptome.
Positiv- und Negativsymptome treten in aller Regel nebeneinander und miteinander auf – in den verschiedenen Verlaufsphasen psychotischer Erkrankungen mit unterschiedlicher Prägnanz. Während zu Beginn, das heißt bei der Erstmanifestation einer schizophrenen Psychose, die Positivsymptome häufig besonders ausgeprägt sind und das Krankheitsbild dominieren können, treten Negativsymptome insbesondere bei chronischen Verläufen häufig in den Vordergrund.
Während eine medikamentöse Behandlung in allen Verlaufsstadien einer Psychose – insbesondere in der Akut- und Postakutphase – einen festen Stellenwert besitzt, sind Kombinationen mit Psychotherapien und weiteren therapeutischen Maßnahmen (Sport- und Bewegungstherapie, Kreativtherapien, Soziotherapie) vor allem in der Postakutphase und zur Rückfallprävention wichtig und werden von uns entsprechend den wissenschaftlichen Leitlinien empfohlen.
Schizophrene Psychosen
Man unterteilt schizophrene Psychosen je nach Symptomausprägung in unterschiedliche Untergruppen. Bei den schizophrenen Psychosen stehen formale und inhaltliche Denkstörungen, Realitätsverlust sowie Wahrnehmungsstörungen im Vordergrund.
Schizoaffektive Psychosen
Bei dieser psychotischen Erkrankung mischen sich Symptome der Schizophrenie (vor allem Wahn und Halluzinationen) und der affektiven Störungen (depressive oder auch manische Zustände); sie treten dann nahezu gleichzeitig auf.
Schizotype Störung
Für diese Störung lässt sich kein klarer Beginn feststellen. Es finden sich Übergänge zu Persönlichkeitsstörungen (in der amerikanischen DSM 5 wird die schizotype Störung den Persönlichkeitsstörungen zugerechnet). Sie ist geprägt durch ungewöhnliche Wahrnehmungserlebnisse sowie Denkstörungen, die allerdings nicht den Schwere- und Ausprägungsgrad einer Schizophrenie erreichen. Kennzeichnend für diese Störung sind außerdem die Anomalie des Denkens und der Stimmung. Die Stimmung wirkt verändert, obwohl ebenfalls keine eindeutigen schizophrenen Symptome auftreten.
Die typischen Symptome sind:
- kalte und teils inadäquate Stimmung
- seltsame, metaphorische, gekünstelte Sprache
- seltsames und exzentrisches Verhalten
- Tendenz zu sozialem Rückzug
- Misstrauen und paranoide Ideen
- zwanghaftes Grübeln
- ungewöhnliche Wahrnehmungserlebnisse
- gelegentlich Illusionen, akustische oder andere Halluzinationen
Anhaltende wahnhafte Störungen
Das entscheidende klinische Merkmal ist ein lang andauernder Wahn. Die Betroffenen entwickeln eine einzelne Wahnidee oder mehrere aufeinander bezogene Wahninhalte, die im Allgemeinen lange andauern können und manchmal lebenslang bestehen.
Akute vorübergehende psychotische Störungen
Charakteristisch für vorübergehende psychotische Störungen ist ein akuter Beginn innerhalb von zwei Wochen mit einer rasch wechselnden Symptomatik. Neben den typischen schizophrenen Symptomen (Wahnvorstellungen, Halluzinationen und anderen Wahrnehmungsstörungen) treten schwere Störungen des normalen Verhaltens auf. Eine vollständige Besserung erfolgt in der Regel nach zwei oder drei Monaten.
Induzierte wahnhafte Störungen
Hierbei handelt es sich um eine seltene wahnhafte Störung, die von zwei oder auch mehr Personen mit engen emotionalen Bindungen geteilt wird. Dabei werden Wahnvorstellungen einer Person auf eine nahestehende, ansonsten gesunde Person übertragen.
Akute organische Psychose
Die akute organische Psychose kann plötzlich auftreten. Sie geht meist mit wechselnden Störungen von Kognition, Psychomotorik, der Orientierung und schweren Bewusstseinsveränderungen (zum Beispiel Delir oder Dämmerzustand) einher. Bei einer entsprechenden Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung können sich die vielfältigen Krankheitsanzeichen in der Regel jedoch schnell zurückbilden.
Eine weitere Form der akuten organischen Psychose ist das Delir. Dabei handelt es sich um den Zustand einer sich verändernden Bewusstseinstrübung, der manchmal mit einem Krampfanfall einsetzen kann und von Desorientierung, Gedächtnisstörungen, Halluzinationen, ängstlicher Unruhe und ausgeprägtem Zittern (Tremor) begleitet wird. Bei einer Alkoholabhängigkeit spricht man auch im Rahmen des Entzugs oder auch während einer Episode sehr schweren Alkoholmissbrauchs von einem Alkoholdelir. Dieses Krankheitsbild erfordert immer eine intensivmedizinische Notfallversorgung.
Chronische organische Psychosen
Als Folge einer Gehirnerkrankung wie eines Gehirntumors oder einer chronischen entzündlichen Erkrankung des Gehirns können anhaltende psychotische Störungen auftreten. Dabei lassen zumeist das Gedächtnis und die kognitiven Fähigkeiten nach; vor allem werden das abstrakte Denken, die Konzentrationsfähigkeit und das Urteilsvermögen beeinträchtigt. Auch die Psychomotorik, der Antrieb, Affekte und die soziale Beziehungsgestaltung können sich verändern.
Die Oberberg Therapien bei psychotischen Erkrankungen
Zur sorgfältigen Diagnose einer Psychose gehört für uns die Aufklärung der Patientinnen und Patienten über ihr individuelles Krankheitsbild immer dazu.
Zusätzlich bemühen wir uns darum, nach Absprache mit den Betroffenen auch deren Angehörige über alle Eckpunkte des Behandlungskonzepts zu informieren. Denn gerade ein möglichst umfassendes Wissen vom individuellen Krankheitsbild ist für die Bewältigung dieser psychischen Erkrankung sehr hilfreich. Aus diesem Grund empfehlen wir unseren Patienten nach ihrer erfolgreichen Therapie auch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe.
In den Oberberg Kliniken wenden wir zahlreiche evidenzbasierte störungsspezifische Behandlungskonzepte für psychotische Erkrankungen an. Neben antipsychotischen Medikamenten haben sich auch psychotherapeutische Verfahren bewährt. Als Oberberg-Patient können Sie mit Ihrem Therapeuten-Team immer ausführlich besprechen, welcher individuelle Behandlungsansatz für Sie den größten Therapieerfolg verspricht. Sie sollten aber auch immer damit rechnen, dass jede Therapie ein gewisses Maß an Geduld und Durchhaltevermögen erfordert.
Unsere Therapieempfehlungen für Psychosen
Die Therapie von Psychosen kann ambulant oder teilstationär, in einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Praxis oder Tagesklinik und in bestimmten Fällen stationär erfolgen.
Bei akuten Psychosezuständen, die nicht selten mit Eigen- und Fremdgefährdung sowie einem Verlust der Krankheits- und Behandlungseinsicht einhergehen, ist eine stationäre Behandlung häufig unumgänglich. Diese Akutbehandlung in Notfall- und Gefährdungssituationen, insbesondere wenn sie in geschütztem Rahmen (geschlossene Station) erfolgen muss, kann in der Regel jedoch nicht in einer Oberberg Fachklinik durchgeführt werden.
Die Behandlung richtet sich allgemein nach der Symptomausprägung und der möglichen Entstehungsursache der Psychose. Generell sollte jede Therapie so schnell wie möglich begonnen werden. Das gilt bei der ersten Psychose wie auch bei einer erneuten psychotischen Episode, also einem Rückfall. Wichtig ist es, die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten von Psychosen konsequent auszuschöpfen und die Patientinnen und Patienten darauf hinzuweisen, dass sich ihre Symptome und Beschwerden im Laufe ihrer Therapie rasch bessern können.
Die Therapie von sekundären Psychosen
Bei der Therapie von sekundären Psychosen wird vor allem die Grunderkrankung behandelt, soweit dies möglich ist. Sollten Medikamente, Alkoholmissbrauch oder Drogen den psychotischen Zustand ausgelöst haben, muss der Patient unter ärztlicher Kontrolle zunächst eine Entgiftungsbehandlung durchführen. Grundsätzlich stehen zur Therapie von Psychosen zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Entscheidend ist jedoch, dass sie jeweils auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt werden und ihr engeres soziales Umfeld in die Behandlungsprozesse einbezogen wird.
Behandlung mit antipsychotischen Medikamenten
Für die medikamentöse Behandlung stehen vor allem unterschiedliche Antipsychotika (früher: „Neuroleptika“, wegen ihrer Nebenwirkungen ) zur Verfügung. Sie wirken gegen die Hauptsymptome der Erkrankung (insbesondere gegen sogenannte Positivsymptome, siehe oben) und können rasch zu einer allgemeinen Besserung der Beschwerden führen.
Dabei unterscheidet man zwischen zwei Arten von Antipsychotika: den sogenannten typischen bzw. konventionellen Antipsychotika der 1. Generation (wie „Haloperidol“) und den atypischen Antipsychotika der 2. Generation (wie „Clozapin“, „Risperidon“ oder „Quetiapin“, aber auch „Cariprazin“ und „Brexpiprazol“). Die Wahl des entsprechenden Medikaments sollte im Einzelfall immer durch den Arzt und den Patienten nach einer gemeinsamen sorgfältigen Abwägung von Nutzen, Nebenwirkungen und Risiken getroffen werden. Übrigens führt keine dieser Substanzen in eine Medikamentenabhängigkeit.
Psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten
Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Krankheitsbewältigung liefern Psychotherapieverfahren, wobei die kognitive Verhaltenstherapie einen besonders wichtigen Platz einnimmt. Die richtige Psychotherapie kann sich bereits während der akuten Krankheitsphase günstig auf den Verlauf der Erkrankung auswirken, indem sie die Reizüberflutung eindämmt sowie der Verunsicherung und den Ängsten des Patienten entgegenwirkt. Zusätzlich kann sie dem Patienten zur Einsicht verhelfen, dass es sich bei seiner psychotischen Störung um eine behandelbare Erkrankung handelt.
Die neueren psychotherapeutischen Verfahren eignen sich sowohl für die Behandlung von Wahn und Halluzination (Positivsymptome) als auch von Antriebs- und Denkstörungen (Negativsymptome). Unsere kognitiven Trainingsprogramme tragen nachweislich zu einem besseren Ergebnis von arbeitsrehabilitativen Maßnahmen bei schizophrenen Psychosen bei. Der gesamte Behandlungsverlauf kann zusätzlich durch die Vermittlung von Wissen über die unterschiedlichen Krankheitsbilder, Symptome und Frühwarnzeichen in sogenannten Psychoedukationsgruppen unterstützt werden.
Wo wir Patienten mit psychotischen Erkrankungen behandeln
In den Oberberg Kliniken für Stressmedizin, Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie unterstützen wir Menschen in schweren seelischen Krisensituationen mit effizienten Behandlungskonzepten, so auch bei Psychosen.
Dabei glauben wir fest an das Zusammenwirken von Menschlichkeit, Verbundenheit und Evidenz in einer erstklassigen Umgebung, die von einer herzlichen Atmosphäre aus Achtsamkeit, Zugewandtheit, Respekt und gegenseitigem Vertrauen geprägt ist.